Unversiegelte Flächen für mehr Biodiversität

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Publiziert am 23. Dezember 2024

7 Minuten Lesezeit

  • Flechten

  • Insekten

  • Moose

  • Pflanzen (Stauden, Gehölze)

  • Wirbellose (ohne Insekten)

Unversiegelte Wege und Plätze aus Kies oder Mergel sind wasserdurchlässig, fördern das Bodenleben und vernetzen Lebensräume. Sie bieten Pflanzen und Tieren Lebensraum und heizen sich weniger auf – gut für die Biodiversität und das Mikroklima im Siedlungsraum.

Darum geht's

  • Versiegelte Beläge wie Asphalt oder verfugte Platten verhindern das Versickern von Regenwasser und sind für Tiere unüberwindbare Barrieren.

  • Unversiegelte Flächen mit Kies oder offenen Fugen lassen Wasser versickern, fördern Pflanzenwachstum und leisten einen Beitrag zur Biodiversität.

  • In Gärten lassen sich Wege einfach entsiegeln – das schafft Lebensraum und wirkt gegen die Klimaerwärmung.

Sickerfähige Wege und Plätze: für mehr Natur im Siedlungsraum

Die Oberflächen von Wegen und Plätzen bestehen meist aus einem Hartbelag (z. B. Asphalt) oder einem Kies- bzw. Mergelbelag. Im Untergrund gewährleistet eine Tragschicht aus grobem Schotter die Belastbarkeit gegenüber Befahren und Begehen. Der ökologische Wert wird durch die Oberfläche, die Deckschicht, bestimmt:

  • Bei Asphalt oder ähnlichen Hartbelägen, bei Verbundsteinen oder mit Mörtel verfugten Pflästerungen und Plattenbelägen spricht man von einer versiegelten Fläche: Der Boden wird durch eine undurchlässige Schicht abgedeckt.

  • Besteht die Deckschicht aus Mergel, Kies oder aus Platten mit breiten offenen Fugen, ist die Fläche sickerfähig und begrünt sich. Sie gilt als unversiegelt. 

Unversiegelter Boden ist belebt, er ist Teil des natürlichen Nahrungsnetzes, ist Wurzelraum und Nährstofflieferant für Pflanzen und Tiere. Er lässt Regenwasser versickern und unterstützt damit den natürlichen Wasserhaushalt. Im Gegensatz dazu haben versiegelte Böden keinen Wert für die Natur und bilden eine für viele Tiere schwer oder nicht überwindbare Barriere. Sie heizen sich zudem im Sommer stark auf und verstärken in der Umgebung die Auswirkungen der Klimaerwärmung.

Gemäss Arealstatistik sind im Siedlungsgebiet der Schweiz rund 63 % der Fläche versiegelt. Das ist viel. In Gärten ist es oft möglich, Wege und Plätze zu entsiegeln und damit etwas zur Verbesserung des lokalen Klimas und zur Förderung der Biodiversität beizusteuern.

Aufbau eines befestigten, unversiegelten Wegs

Unversiegelte Wege und Plätze bestehen aus einem planierten Boden, auf den eine oder mehrere Tragschichten sowie eine Deckschicht und allenfalls eine Streuschicht folgen. Die Tragschicht aus Wandkies oder grobem Schotter bildet das Fundament und sorgt für den Wasserabzug. Die Deckschicht ist der sichtbare Belag und kann aus Mergel, Kies, nicht verfugten Platten oder Pflastersteinen mit breiten, offenen Fugen bestehen. Zum Schutz und zur Verschönerung kann eine Abstreuschicht mit einer feinen Schicht Rundkies, Splitt oder Brechsand eingestreut werden. 

Diese Tiere profitieren von unversiegelten Wegen und Plätzen

Von unversiegelten Flächen profitieren in erster Linie zahlreiche Insekten, von denen sich wiederum Vögel und Kleinsäugetiere ernähren. Folgende Tierarten können auf unversiegelten Flächen beobachtet werden:

Diese Pflanzen profitieren von unversiegelten Wegen und Plätzen

Unversiegelte Flächen und auch Pflasterfugen werden von charakteristischen, tritttoleranten Pflanzen besiedelt. Typischerweise sind das niederliegende Pflanzen, welche sich nahe am Boden verzweigen (Blattrosetten, Ausläufer etc.) und damit zu rascher Regeneration fähig sind. Sie weichen somit durch ihren Wuchs einer mechanischen Zerstörung aus und/oder können sie schnell kompensieren. Auch Pflasterfugen sind ein wichtiger Lebensraum, insbesondere für verschiedene Moos­arten.

Treppen mit chaussierten Zwischenflächen, die sich an den weniger betretenen Stellen begrünen (Avenue du Vingt-Quatre-Janvier, Lausanne).© Sabine Tschäppeler

Was unversiegelte Flächen besonders wertvoll macht

Folgende Faktoren machen den Wert einer unversiegelten, befestigten Fläche für die Biodiversität aus:

  • Unversiegelte Zwischenräume - In Rasengittersteinen, zwischen Pflastersteinen und Steinplatten entwickeln sich in den Zwischenräumen rasch Kleinstlebensräume für trittverträgliche Pflanzen und Kleintiere. 

  • Nutzungsintensität - Je weniger die Flächen betreten oder befahren werden, desto grösser wird die Anzahl und Vielfalt der Pflanzen. Eine gewisse Störung ist jedoch notwendig, sonst wächst die Fläche rasch zu.

  • Fliessende Grenzen - Sind keine starren Randeinfassungen vorhanden, sind die Flächen auch für Bodenlebewesen zugänglich und dienen der Vernetzung von weiteren Flächen und Lebensräumen. An den Rändern können sich höherwüchsige Pflanzenarten entwickeln.

  • Pflegeintensität - Je weniger eine unversiegelte, befestigte Fläche von Pflanzenwuchs befreit wird, desto wertvoller ist sie als Lebensraum.

  • Nachbarschaft zu anderen Lebensräumen - Grenzt die unversiegelte Fläche direkt an einen anderen naturnahen Lebensraum, wird sie Teil eines wertvollen Lebensraummosaiks, von dem viele Arten profitieren können.

  • Kleinstrukturen - Am Rand ergänzt mit Kleinstrukturen wie Holzhaufen, Trockenmauer etc., bilden unversiegelte Flächen wertvolle Lebensräume für Tiere und decken deren unterschiedliche Bedürfnisse (Nahrung, Versteck, Brutplatz etc.) ab.

Eigene unversiegelte Weg oder Plätze schaffen

Aufwertung versiegelter oder bereits unversiegelter Flächen

Eine bestehende versiegelte Fläche können Sie entsiegeln oder teilweise als Lebensraum aufwerten.
Unversiegelte Wege oder Plätze können Sie aufwerten, indem Sie die Pflege von Pflästerungen und bereits unversiegelten Flächen anpassen (s. «Unversiegelte Flächen richtig pflegen - für dauerhafte Biodiversität»). 

Neuanlage

Sie können bestehende versiegelte Flächen entsiegeln und durch wassergebundene Wege und Plätze ersetzen lassen (s. «Neuanlage»). Eine gute Gelegenheit, um eine versiegelte Fläche zu verkleinern oder durch einen naturnahen Belag zu ersetzen, ist, wenn Sie einen schadhaften Belag erneuern müssen oder im Rahmen von Um- und Neubauten.

Möchten Sie eine Pionierfläche anlegen, die nicht befestigt werden muss, da sie nicht befahren oder begangen wird, lesen Sie Ruderalflächen anlegen – Trittsteine schaffen.

Einen neuen befestigten, aber unversiegelten Weg oder Platz können Sie nicht selber, sondern nur in Zusammen­arbeit mit einer Fachperson erstellen. Es braucht Fachwissen und Erfahrung, damit die fertige Fläche die gewünschte Funktion erfüllen kann. Die Erstellung grösserer Flächen (mehr als 100 m3 Terrainveränderung) und/oder eine Nutzungsänderung brauchen eine Baubewilligung.

Untenstehend finden Sie einige Hinweise, die für das Gespräch mit einer Fachperson hilfreich sein könnten.

Unversiegelte Wege oder Plätze richtig planen

Rasengittersteine mit Natternkopf (Bremgarten bei Bern)© Sabine Tschäppeler

Unversiegelte Wege oder Plätze anlegen - Anleitung

Unversiegelte Flächen richtig pflegen – für dauerhafte Biodiversität

Kosten & Zeitaufwand einer unversiegelten Fläche: Das sollte man wissen

In einigen Gemeinden und Städten gibt es im Rahmen von Förderprogrammen oder Projekten kostenlose Beratung oder sogar finanzielle Beiträge für die Entsiegelung von Flächen im Privateigentum. 

Saatgut: um die 1.00‒8.00 CHF/m2, sehr unterschiedlich je nach Anbieter und Zusammensetzung 

Reutigermergel (Deckschicht): um die 80.00 CHF/m3, jedoch unterschiedlich je nach Region und Anbieter

Brechsand/Splitt: (oben auf Deckschicht) um die 60.00–70.00 CHF/m3, jedoch unterschiedlich je nach Region und Anbieter 

Pflästersand (bei Pflaster-/Plattenbelag): um die 38.00–45.00 CHF/m3

Lieferung Sand/Steine: um die 150.00–200.00 CHF/m3; Preise sind jedoch nach Transportweg und Region sehr unterschiedlich.

Steine: Pflastersteine regionaler Herkunft mit Herkunftsnachweis sind vorzuziehen. Achten Sie beim Kauf nicht regionaler Steine auf zertifizierte Produktion (z. B. Xertifix o. Ä.). Günstiger sind Bollensteine oder Recyclingmaterial, allerdings sind diese auch schwieriger einzubauen. Ein Natursteinpflasterbelag ist in der Erstellung teuer, doch bei Betrachtung der Gesamtkosten über einen längeren Zeitraum ist er aufgrund seiner Dauerhaftigkeit allen anderen Belägen überlegen.

Die Erstellung von befestigten, unversiegelten Wegen und Plätzen braucht einige Erfahrung, damit das Wasser richtig abfliesst und der Unterbau stabil ist (Planierung). Lassen Sie sie deshalb von einer Fachperson bauen. Es gibt Gartenbaubetriebe, bei denen Sie selber mit Hand anlegen können. Fragen Sie danach, wenn Sie das möchten. 

Auch zur Entsiegelung von asphaltierten Flächen lassen Sie sich am besten beraten. Grössere Flächen überlassen Sie besser ganz einem Gartenbaubetrieb. Fachleute haben die richtigen Maschinen, können abschätzen, wie der Abbruch entsorgt/deponiert werden muss und sehen, wie sie die zum Vorschein gekommene Tragschicht sinnvoll ergänzen können. 

Die Kosten für Entsiegelung und Neuanlage sind abhängig von der beabsichtigten Nutzung (Normen zur Qualität der Tragschicht), von der Grösse und Topografie der Fläche und vom Material. Sie sind jedoch auch sehr unterschiedlich je nach Unternehmen, das Sie beauftragen. Es lohnt sich, Offerten einzuholen. Sie müssen mit einer zusätzlichen Pauschale für Anfahrt und Einrichten rechnen sowie mit Kosten für Materialabtransport und Deponie. Die Entsiegelung einer Fläche ist recht kostenintensiv. Ins Gewicht fällt insbesondere die Entsorgung des Asphalts. Der Entsorgungspreis von Asphalt hängt von dessen PAK-Gehalt (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) ab.

Auch die Pflege der Flächen können Sie dem Gartenbauunternehmen in Auftrag geben. Die Kosten dafür variieren je nach Unternehmen und der von ihm verwendeten Methode (jäten, schaben, thermisches Verfahren) stark. 

Trockenaspekt eines befestigten Platzes mit toleriertem Bewuchs (Ecoquartier Les Vergers, Meyrin)© Sabine Tschäppeler

Material für eine unversiegelte Fläche: Einkauftipps

Kurse

Ab und zu werden Kurse zum Verlegen von Pflastersteinen angeboten. Es lohnt sich, im Internet danach zu suchen. 

Dienstleistungen

Maschinenausleihe

Abbauhammer, Walzen (oder auch andere Maschinen) können in manchen Baumärkten gemietet werden. Suchen Sie auf der Webseite des Baumarkts in Ihrer Nähe unter «Serviceleistungen» oder «Mietgeräte». 

Material

Kies, Sand aus der Region: Im Internet finden Sie die regionalen Kieswerke. 
Pflastersteine: Verwenden Sie immer Gesteine regionaler Herkunft oder unbelastetes Recyclingmaterial. Anbieter in der Region finden Sie im Internet. Recycling­material kann man auch im Entsorgungshof besorgen.

Achtung: wie man auf entsiegelten Flächen Tiere und Pflanzen schützt

  • Herbizideinsatz auf Wegen und Plätzen ist verboten (s. «Gesetzliche Grundlagen»).

  • Verwenden Sie kein Streusalz zum Enteisen der Fläche im Winter. Das Salz kann gewisse Natursteinarten beschädigen, reichert sich im Boden an und schädigt Bäume sowie andere Lebewesen. 

  • Bei Schnee sollten Sie auf eine Schwarzräumung (vollständiges Entfernen von Schnee) verzichten, da die Deckschicht sonst aufgekratzt und beschädigt wird.

  • Verzichten Sie auf chemische Ameisenköder. Ameisenstrassen auf Terrassen können Sie mit stark riechenden Pflanzen wie Lavendel, Tomatenblättern, Majoran oder dem Streuen von Zimtpulver ablenken. 

  • Verzichten Sie darauf, eine Pflasterung oder Plattenboden mit dem Hochdruckreiniger zu behandeln. Der starke Wasserstrahl wird die Zwischenräume auswaschen und den Belag instabil machen. Wenn Sie diese mit Sand auffüllen, spült der nächste Starkregen die Fugen wieder frei. 

Asphalt aufgebrochen und begrünt: Intervention von «Bern bleibt grün» zum Start der Stadtklimainitiative in Bern (Ansermetplatz, Bern)© Sabine Tschäppeler

Gesetzliche Grundlagen

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die dazu bestimmt sind, unerwünschte Pflanzen oder Pflanzenteile zu vernichten oder auf ein unerwünschtes Pflanzenwachstum Einfluss zu nehmen, ist auf Lagerplätzen, auf und an Strassen, Wegen und Plätzen untersagt, gemäss Anhang 2.5 Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, ChemRRV.

Für die Entsiegelung einer grösseren Fläche oder einer Nutzungsänderung kann eine Baubewilligung erforderlich sein. Die Vorgaben zur Baubewilligungspflicht sind in den Verordnungen (oder Dekreten) zum kantonalen Bauwilligungsverfahren aufgeführt (z. B. im Kanton Zürich die Bauverfahrensverordnung BVV, im Kanton Bern das Dekret über das Baubewilligungsverfahren BewD). Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie bei der für das Baubewilligungsverfahren zuständigen Abteilung Ihrer Gemeinde oder Stadt nach.

Gemäss Behindertengleichstellungsgesetz BehiG ist bei Gebäuden mit mehr als acht Wohneinheiten der hindernisfreie Zugang zu gewährleisten. In einigen Kantonen sind in der Baugesetzgebung weitere oder strengere Vorgaben formuliert, z. B. hindernisfreier Zugang ab vier Wohnungen. 

Quellen  und weiterführende Informationen

Praxishandbuch Stadtnatur des Haupt Verlags

Siedlungsräume bieten auf engem Raum viele Lebensräume und sind wichtig für die Biodiversität. Dieses Praxishandbuch zeigt, wie Lebensräume erhalten und neu geschaffen werden – und was jede:r tun kann, damit Städte für Tiere und Pflanzen attraktiv bleiben.

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